Bernauer Heerstrasse

Geschichte des Bernauer Heerwegs

Alte Straßen als neue Wege fürs Bikepacking

Überall in Europas Wäldern und Feldern schlummern malerische alte Straßen. Angelegt wurden sie mitunter bereits von den Römern. Sie dienten einstmals als Wege für Pilger, oder hatten eine Funktion als Post-, Handels- oder Militärstraße. Diese Straßen waren einmal lebendige Verbindungen zwischen Orten. Mit dem Bau von Bahn- und Autoinfrastruktur verloren sie jedoch ihre Funktion. Nun warten sie darauf von uns wiederentdeckt zu werden.

Auf geschmeidigen Breitreifen sind diese verwunschenen alten Wege oft eine wunderbare Möglichkeit, in den Spuren der Geschichte über große Distanzen und fern von Autos zu reisen.

Der Bernauer Heerweg ist eine dieser alten Straßen. Wir haben ihren Verlauf zwischen der Burg (später Zitadelle) Spandau und dem Stettiner Hafen in detektivischer Kleinarbeit, mithilfe von Fachliteratur, georeferenzierter alter Karten und Überlieferungen rekonstruiert. Erkunde ihn nun mit uns!

Was sind Heerstraßen? Das Erbe Roms

Der Begriff „Heerstraße“ hat historisch gesehen seine Wurzeln in den römischen Heerstraßen, die als wichtige Verkehrswege für die römischen Armeen dienten. Diese Straßen waren jedoch nicht nur auf militärische Zwecke beschränkt; vielmehr spielten sie eine entscheidende Rolle bei der Schaffung von Verbindungen zwischen verschiedenen Teilen des Römischen Reiches. Sie waren gleichzeitig Handelsrouten, die den Austausch von Waren, Ideen und kulturellen Einflüssen ermöglichten.

Die Römer haben ein umfangreiches Netzwerk von Straßen geschaffen, das als Römerstraßen oder Heerstraßen bekannt ist. Diese Straßen dienten nicht nur militärischen Zwecken, sondern auch dem zivilen und wirtschaftlichen Verkehr. Einige bekannte Beispiele für römische Heerstraßen sind:

  1. Via Appia (Via Appia Antica): Eine der bekanntesten römischen Straßen, die im Jahr 312 v. Chr. von Appius Claudius Caecus gebaut wurde. Sie erstreckte sich von Rom bis nach Brindisi im Süden Italiens und spielte eine entscheidende Rolle bei der Verbindung der Hauptstadt mit den südlichen Provinzen.
  2. Via Flaminia: Diese Straße wurde 220 v. Chr. von Gaius Flaminius Nepos gebaut und verband Rom mit der Adriaküste. Sie war eine wichtige Verbindung in Richtung des heutigen Rimini.
  3. Via Augusta: Auch als Via Claudia Augusta bekannt, erstreckte sich diese Straße von der Po-Ebene in Italien über die Alpen bis nach Augsburg in Deutschland. Sie wurde hauptsächlich für den Handel und die Kommunikation zwischen dem Römischen Reich und den Provinzen im Norden genutzt.
  4. Via Aemilia: Diese Straße wurde im Jahr 187 v. Chr. von Gaius Aemilius Lepidus erbaut und verband die Städte Ariminum (heutiges Rimini) und Placentia (heutiges Piacenza) in Norditalien. Die Via Aemilia spielte eine wichtige Rolle bei der Erschließung und Besiedlung der Po-Ebene.
  5. Via Appia Nuova: Eine Erweiterung der ursprünglichen Via Appia, die im 16. Jahrhundert n. Chr. während der Renaissance gebaut wurde. Sie erstreckte sich von Rom nach Brindisi und diente ähnlichen Zwecken wie die ursprüngliche Via Appia.

Diese römischen Straßen zeugen von der Ingenieurskunst der Römer und ihrer Fähigkeit, Straßennetze zu schaffen, die nicht nur militärische Bewegungen ermöglichten, sondern auch Handel, Kommunikation und kulturellen Austausch förderten.

Es ist daher wichtig zu betonen, dass der Begriff „Heerstraße“ nicht zwangsläufig auf eine rein militärische Verwendung schließen lässt. Vielmehr deutet er auf historische Straßen hin, die ursprünglich für die Anforderungen des Militärs geschaffen wurden, aber im Laufe der Zeit eine breitere Funktion annahmen. Dieses Prinzip zeigt sich auch in der Entwicklung der Bernauer Heerstraße.

Die Geschichte der Bernauer Heerstraße

Die Bernauer Heerstraße spielte eine entscheidende Rolle in der mittelalterlichen Verbindung zwischen der Burg Spandau und der Stadt Bernau, den Burgen des Barnims sowie dem Ostseehafen Stettins. Die Straße wurde im 13. Jahrhundert speziell für berittene Heerscharen angelegt, die Tagesetappen von etwa 40 km zurücklegen konnten. Die Stadt Bernau entwickelte sich als Etappenstandort, wo Pferde ausruhen, gefüttert und getränkt werden konnten. Dieser Weg wurde von Handelstreibenden, Pilgern und Postkutschen frequentiert, und über ihn gelangte später das berühmte Bernauer Bier nach Berlin.

Die Entstehung der Bernauer Heerstraße ist eng mit der hochmittelalterlichen Ostsiedlung verbunden, bei der deutschsprachige Siedler in die östlichen Randgebiete des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation vordrangen. Diese Siedlung war teilweise von gewaltsamer Missionierung und teilweise von friedlicher Besiedlung geprägt, was die Übernahme von Infra- und Rechtsstrukturen des Reichs einschloss. Die Askanier und Albrecht der Bär spielten eine herausragende Rolle bei der Landnahme, wobei Albrecht der Bär ab diesem Zeitpunkt den Titel „Markgraf von Brandenburg“ trug und von der Burg Spandau aus Feldzüge zur Odermündung unternahm. Dieses strategische Ziel ermöglichte nicht nur militärische Kontrolle, sondern öffnete auch die Tür für den lukrativen Ostseehandel rund um die Hansestadt Stettin. Die Bernauer Heerstraße verband diese wichtigen Punkte miteinander, während Burgen wie in Biesenthal das Einflussgebiet sicherten.

Es ist jedoch wichtig, die Geschichte kritisch zu betrachten. Die deutsche Ostsiedlung war nicht nur von friedlicher Besiedlung geprägt, sondern auch von gewaltsamen Missionierungen, die vorwiegend slawisch und baltisch bewohnte Gebiete betrafen. Diese Ereignisse werfen Schatten auf die deutsche Geschichte und sind Teil einer komplexen Erzählung, die auch die dunklen Kapitel der Expansion und kulturellen Assimilation umfasst. Diese Aspekte ermöglichen eine Verortung innerhalb der deutschen Geschichte, die nicht nur die positiven Entwicklungen, sondern auch die kontroversen und problematischen Aspekte berücksichtigt.

Viele Heerwege

Die Geschichte des Heerwegs entlang unserer Route ist faszinierend und reicht weit zurück. Zwischen Spandau und Eberswalde können wir den historischen Verlauf der Bernauer Heer- und Handelsstraße genau rekonstruieren. Ab Eberswalde und besonders in Richtung Oderberg wird die Rekonstruktion jedoch komplexer. Über die Jahrhunderte hat sich der Verlauf mehrmals geändert, beeinflusst durch Stadtneugründungen und andere Entwicklungen. Tatsächlich könnte man aufgrund dieser Veränderungen im Grunde von mehreren „Heerwegen“ sprechen.

Die Bedeutung des Heerwegs zeigt sich auch in der Wahl des Wasserwegs ab Oderberg, insbesondere für den Transport schwerer Güter, die flussabwärts weiter verschifft wurden. Zollpflichten entstanden, aber die Methode ermöglichte einen schnelleren Transport der Waren zum Ziel. Eine interessante Station entlang des Weges war der Bärenkasten in Oderberg, eine historische Zollstation, bevor Veränderungen wie Kanalisierung und Trockenlegung die Region prägten. Ursprünglich floss die Oder direkt an der Burg vorbei, doch heute liegt die Festung versteckt in einer Kleingartenkolonie.

Neuste und Gegenwartsgeschichte des Bernauer Heerwegs

Die Bernauer Heerstraße bleibt nicht nur eine historische Straße, sondern trägt auch weiterhin zur Verbindung von Orten und Menschen bei. Im Verlauf der Jahrhunderte entwickelte sie sich zu einer Handelsroute, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle Austauschprozesse förderte. Mit der Zeit veränderten sich die geopolitischen Rahmenbedingungen, und die Bedeutung der Route passte sich den neuen Erfordernissen an.

Während der folgenden Jahrhunderte erlebte die Region um die Bernauer Heerstraße verschiedene historische Umwälzungen, darunter die Industrialisierung im 19. Jahrhundert und die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Diese Ereignisse hinterließen ihre Spuren und prägten die Entwicklung der umliegenden Gemeinden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung Deutschlands wurde die Bernauer Heerstraße Teil der Grenzregion zwischen Ost- und Westdeutschland. Die Stadt Bernau lag nun im Osten, nahe der Berliner Mauer. Die Teilung hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Region und führte zu jahrzehntelanger Isolation und Abtrennung von Familien, Freunden und wirtschaftlichen Verbindungen.

Mit dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989 und der Wiedervereinigung Deutschlands änderte sich erneut das Gesicht der Bernauer Heerstraße. Die ehemalige Grenzregion erlebte einen Prozess der Neugestaltung und des Wiederaufbaus. Die Verbindung zwischen den einst getrennten Teilen wurde wiederhergestellt, und die Stadt Bernau fand sich in einem vereinten Deutschland wieder.

Heute ist die Bernauer Heerstraße nicht nur ein Zeuge der historischen Entwicklungen, sondern auch ein Symbol für die Überwindung von Trennungen und die Wiederherstellung von Einheit. Die Region hat sich zu einem Ort des kulturellen Austauschs, des Handels und des Zusammenwachsens entwickelt. Die historischen Spuren sind weiterhin sichtbar, aber sie sind jetzt Teil einer lebendigen und vielfältigen Gegenwart. Die Bernauer Heerstraße steht als Denkmal für die Geschichte, die Herausforderungen und die Hoffnung auf eine gemeinsame europäische Zukunft.

Literatur

Fritze, Konrad; Müller-Mertens, Eckhard; Schildhauer, Johannes (Hg.): Hansische Studien. 5, Weimar 1981.

Gemeinde Panketal (Hg.): 100 Jahre Hobrechtsfelde. Online unter https://digital.zlb.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:kobv:109-opus-136097, Zugriff zuletzt 15.08.2020.

Herrmann, Joachim: Der „Barnim“ und Berlins Weg zum baltischen Meer am Ende des 12. und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in: Hansische Studien. 5, hg. von Konrad Fritze, Eckhard Müller-Mertens und Johannes Schildhauer, Weimar 1981 (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte), 29–40.

Hoppe, Willy: Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg. Ausgewählte Aufsätze, Köln, Graz 1965.

Rainer Horn: Wissenswertes am Wegesrand, in: MOZ.de, 5/2/2014.

Kuntzemüller, Otto: Urkundliche Geschichte der Stadt und Festung Spandau von Entstehung der Stadt bis zur Gegenwart, Berlin-Spandau 1881.

Materna, Ingo; Adamy, Kurt (Hg.): Brandenburgische Geschichte. Berlin 1995.

Mundt, Hans: Die Heer- und Handelsstrassen der Mark Brandenburg vom Zeitalter der ostdeutschen Kolonisation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Berlin 1932.

Ribbe, Wolfgang (Hg.): Geschichte Berlins, Berlin 2002.

Schultze, Johannes; Vogel, Werner (Hg.): Die Mark Brandenburg, Berlin 2011.

Bildnachweis

 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karte_von_Berlin_und_Umgebung_(1922)_in_12_Bl%C3%A4ttern_III_Bernau.jpg (gemeinfrei, da Urheberechte erloschen)

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